Genusstraining für Kinder und Jugendliche mit Essstörungen

Für Menschen mit einer Essstörung sind Freude und Genuss beim Essen meist abhandengekommen, und Essens-Situationen, die früher Spaß gemacht haben, lösen vor allem Angst und Unsicherheit aus. Wir finden: nicht mehr mit Freunden und Familie essen können, damit geht ein beträchtliches Stück Lebensqualität verloren.

In der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Charité lernen junge PatientInnen, tagtäglich wieder ausreichend und regelmäßig zu essen. Oft sind dafür lange Krankenhausaufenthalte notwendig, die nicht dem eigentlichen Alltag entsprechen. Bei der Aufgabe, unsere Patientinnen auf dem Weg der Genesung während des Krankenhausaufenthaltes möglichst umfassend zu begleiten, unterstützt die Eckhard Busch Stiftung ein therapeutisch wichtiges und beliebtes Therapie-Element: das „Genuss-Training“. Hier üben wir mit den Betroffenen, mal außer Haus, mal in der Lehrküche, neue Lebensmittel auszuprobieren und Essen wieder mit positiven Gefühlen und Erlebnissen zu verknüpfen.

Das kann ein Besuch in einem Restaurant sein, ein Smoothie zwischendurch, oder ein Stück Kuchen – selbstgebacken oder in einem Café. Was Menschen ohne Essstörungen für selbstverständlich nehmen und einfach so nebenbei bewerkstelligen, erfordert bei Menschen mit Essstörungen häufig viel Überwindung. In der Gruppe, gut geplant und mit wohlwollender Begleitung, gelingen solche Ausflüge und „Special Events“, sorgen für Spaß und den Lerneffekt: Essen kann auch Freude und Genuss bereiten!

Mai 2020

Kurz vor der COVID-Pandemie ist das Projekt gestartet. Wir waren zusammen im Kino und haben dort Popcorn gegessen, und wir haben gemeinsam Sushi bestellt. In der aktuellen Situation sind Außenaktivitäten leider nicht möglich. Also besorgen wir jetzt öfters Zutaten für ein besonders leckeres Müsli, oder backen selbst Brot – und freuen uns auf die Zeit, bis wir als Gruppe wieder kulinarische Ausflüge unternehmen können. Dabei zeigt sich: Lernen braucht Zeit, und was anfangs noch schwer erscheint, funktioniert mit der Zeit immer besser!

Jenny, 14 Jahre

„Beim ersten Mal kam mir die Müsli-Portion mit den vielen Zutaten sehr groß vor, und ich konnte das Müsli deshalb nicht genießen, es hat mir dann erst einmal auch nicht so geschmeckt. Nach dem zweiten Mal, war es auf einmal leichter und lecker. Da ich zu Hause auch immer Müsli esse, hat mir das Training sehr geholfen. Jetzt kenne ich die Portionsgrößen, wo ich mir vorher immer sehr unsicher war. Außerdem habe ich Ideen bekommen, wie ich mein Müsli mit anderen Zutaten „toppen“ kann.“

Paulina, 15 Jahre

„Nach mehreren Monaten Krankenhausessen wollten wir mal was anderes ausprobieren. Wir haben als Gruppe entschieden, uns gemeinsam einer richtigen Herausforderung zu stellen: Burger essen gehen, in einem richtig guten Burger-Laden, von dem wir alle schon gehört hatten. Bevor wir losgegangen sind, haben wir uns alle fest vorgenommen, einen ganzen Burger zu schaffen. Die Auswahl ist uns allen schwer gefallen. Nach dem Essen hatte ich mit einem unangenehmen Völlegefühl zu tun, und auch mit Unsicherheit, da ich nicht wusste, wie viele Kalorien in dem Essen waren. Aber ich habe mich gleichzeitig gefreut, weil mir der Burger geschmeckt hat und ich es geschafft habe, ihn aufzuessen.

Leon, 13 Jahre

Vor unserem Ausflug ins Sushi-Restaurant habe ich mir vorgenommen, das Essen zu genießen. Ich hatte Sorge, dass ich mir beim Essen zu viele, negative Gedanken mache. Für diesen Fall hatte ich mir überlegt, mir ins Gedächtnis zu rufen, wie gerne ich früher Sushi gegessen habe. Im Restaurant war ich überrascht, wie groß die Portionen waren, aber es ist gut gelaufen. Ich konnte das Essen zum größten Teil genießen und habe die Portion aufgegessen, ohne schon vorher zu sagen, dass ich satt wäre.

Maria, 16 Jahre, Binge-Eating-Störung

Direkt vor unserem Ausflug zum Eis essen im Park haben mich ganz unterschiedliche Gedanken und Gefühle beschäftigt: Vorfreude, Hunger und die Sorge, dass mich danach das Bedürfnis packt, mehr Süßes zu essen. Für diesem Fall hatte ich mir vorgenommen, mich abzulenken oder einer Person aus unserer Gruppe davon zu erzählen. Es war eigentlich alles ok, abgesehen von dem tiefen Bedürfnis, mehr essen zu wollen, und dem schlechten Gewissen nach dem Eis. Für die erste Zeit nach der Klinik will ich erstmal nur in der Gegenwart von anderen Leuten Eis essen gehen.

Eva, 15 Jahre, Bulimia nervosa

Vor dem Ausflug in den Park hab ich mich auf das Eis gefreut, aber gleichzeitig hatte ich auch etwas Angst davor, da Eis bei mir Essattacken auslöst. Mit meiner Freundin habe ich vereinbart, dass ich ihr in diesem Fall Bescheid sage, also dass ich mir bei ihr Hilfe hole. Es lief dann doch ganz gut – ich hatte zwar zwischendurch Lust auf mehr Eis, aber das hab ich ganz gut geschafft. Eine normale Portion Eis im Alltag ist in Ordnung, und ich kann das wieder zur Gewohnheit werden lassen.

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